Mittwoch, 4. Juni 2014

Der Pate

Ich kann mich wage daran erinnern, dass im Geschichtsunterricht der 7. oder 8. Klasse das Thema Mittelalter besprochen wurde. Das Geschichtsbuch war voll von bunten Bildchen mit Handwerkern und Bauern, die am Straßenrand standen und auf einem Amboss rumhämmerten, oder Strohballen auf dem Rücken hatten. Auffällig dabei war, dass immer ein Älterer und ein Jüngerer zusammen waren - ja, ich weiß, im Mittelalter spielte Gender Balance noch keine so tragende Rolle wie heute. Trotzdem zeigten diese Bilder im Kleinen, wie unsere Welt eigentlich schon immer funktioniert: Die Jüngeren lernen von der Älteren, oder eben die Unerfahrenen von den Erfahrenen. So hat es in der Fliegerei zu Pionierzeiten auch einmal angefangen.

In der Vereinsfliegerei ist das durchaus so auch heute noch der Fall, aber in der kommerziellen Fliegerwelt lässt sich so etwas schwer wirtschaftlich betreiben. Darum gibt es ja hoch effiziente Flugschulen und bis ins Detail ausgearbeitete Ausbildungskonzepte, wo sich jeder Beamte und Hobbysoziologe die Finger leckt. Aber jeder, der eine dieser standardisierten Ausbildungen durchläuft ist ja immer noch ein Mensch und es liegt nunmal in dessen Natur, durch Nachahmung zu lernen. Vor einiger Zeit hatte ich schon einmal etwas über die Rolle und Bedeutung von Vorbildern hier in Bremen und im späteren Berufsleben geschrieben - und daran knüpft das heutige Thema an. Man hat hier nämlich etwas aufgegriffen, was sich in vielen anderen Berufszweigen auch bewährt, eben weil es eigentlich so banal ist und die Integration in ein Unternehmen erheblich erleichtert: Ein Patenkonzept. 

Gestern hatten der 411. und 412. NFF eine ganztägige Informationsveranstaltung namens "Destination Lufthansa Group". Zum Einen sollten wir hier einen Einblick in unser späteres Berufsleben bekommen: Arbeitszeiten, Einstiegsmöglichkeiten, Flugzeugmuster und Entwicklungsmöglichkeiten. Sehr interessant und wenn man sich im Europäischen oder sogar weltweiten Vergleich betrachtet, gibt es kaum Fluggesellschaften, die ihren Piloten eine solche Bandbreite an verschiedensten Möglichkeiten bieten. Ich weiß, dass es da immer zwei Seiten der Medaille gibt, aber mich hat schon beeindruckt, das sachlich so aus erster Hand zu hören. 

Auf der anderen Seite war ein Referent eingeladen, der viele Jahrzehnte bei Lufthansa gearbeitet hatte. Mittlerweile längst pensioniert ist er aber immer noch voll und ganz auf dem Laufenden was die Situation des Unternehmens angeht. Was wir zu hören bekamen war einer der in meinen Augen spannendsten Vorträge, die ich seit Langem gehört habe. Es war letztendlich die Geschichte seines Berufslebens bei Lufthansa, das er Anfang der 1970er Jahre in der Hauptverwaltung in Köln begonnen hatte und 2001 als obere Führungskraft des Unternehmens beendete. Seine persönliche Sicht der unzähligen Krisen und Höhenflüge der Firma waren sehr beeindruckend und sicherlich werden wir uns lange daran zurück erinnern.

Last but not least lernten beide Kurse ihre Kurspaten kennen. Das sind Menschen, die im Regelfall schon einmal in genau der gleichen Situation waren wie wir: Ihre Pilotenausbildung in Bremen  begonnen haben, eine unvergessliche Zeit in Phoenix hatten und dann, nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung, auf die Linie gegangen sind. Und da sind wir wieder am Anfang: Vorbilder! Ich kann behaupten, dass wir es nicht besser hätten treffen können. Unsere Paten haben all das, wovon wir beruflich träumen (wie jeder Pilot, der 4. Streifen! ;-)) schon erreicht und sind spätestens ab jetzt alles andere als unnahbar für uns. Es ist explizit so gedacht, dass wir uns an den Paten wenden können, wenn wir Fragen, Zweifel, oder Anregungen zur Ausbildung und dem Fliegerleben haben. Das konnten wir dann am gestrigen Abend gleich ausprobieren, als wir alle gemeinsam den Abend noch bei Spargel und Haake Beck ausklingen ließen. Auch, wenn ich es schon so oft geschrieben habe, werde ich nicht müde: So habe ich mir das vorgestellt!
Der Arbeitsplatz unseres Kurspaten. Links, versteht sich ;-)

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